Neuerscheinung
im Wiener Verlag, Wien
Sommer 2024
Trotz Corona und Erfthochwasser:
Neuerscheinung Herbst 2021:
Das Seidenkrokatsofa - Ein Roman über ein schillerndes Jahrzehnt voller Umbrüche.
Der Geist der 70er Jahre. Erscheint auch als E-Book.
https://www.velbrueck.de/Belletristik/Neuerscheinungen/Das-Seidenbrokatsofa.html
Schon, Jenny: Flüchtige ... Erzählungen
Jenny Schon.....Flüchtige ...Erzählungen Geest-Verlag 2019 Cover nach einem Foto von Jenny Schon ISBN 978-3-86685-739-1 350 S., 14,80 Euro
Jenny Schon schreibt in der Erzählung "halbstark" nah an
ihrem Leben,das aufregend genug war. Als Kleinkind aus Böhmen
vertrieben, musste sie im Rheinland, woher ihre väterliche Familie
stammte, viele Kämpfe durchstehen, denn sie war nicht nur ein
rothaariges Mädchen (Fusselumpzigarrenstump),sie war auch evangelisch
in einer katholischen Umwelt (evangelischer Rattenfänger)und Pimmock
(Flüchtling), also ausgegrenzt, und die Eltern waren Arbeiter in der
Metallindustrie. Alles Faktoren, die sie als Unterschichtkind stigmatisierten,
das es nie schaffen würde, eine Universität zu besuchen (Soziologenweisheit).
Mit ausgrenzenden Schimpfwörtern großgeworden, lernt sie sich zu wehren. Als
"Halbstarke" tanzt sie auf der Kirmes Rock'n Roll und hört im Kofferradio
Elvis Presley und Bill Haley,bezieht Prügel vom Vater, vom Lehrer und vom Lehrherrn.
Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist Gang und Gäbe in den Fünfziger Jahren, gegen
die sich die "Halbstarken" zu wehren beginnen.Insofern waren nicht nur die Jugendlichen
halbstark, sondern auch die Erwachsenen waren nach dem 2. Weltkrieg weit davon entfernt,
perfekte Demokraten zu sein.Obwohl es den Begriff "Halbstarke" schon um 1900 in Deutschland
gab, wird er in den Fünfziger Jahren für Jugendliche aus proletarischem Milieu verwendet,
die in irgendeiner Weise nicht in das öffentlich gewünschte Bild der Nachkriegsgesellschaft
passen und sich durch normwidriges Verhalten, wie der Belästigung von Passanten, Störung der
öffentlichen Ordnung oder Auseinandersetzungen mit der Polizei, auszeichnen, und dies in Ost
wie West.Die Halbstarken-Bewegung ist die erste Nachkriegsjugendbewegung. Jenny Schon hat an
ihr als Backfisch teilgenommen und zehn Jahre später ist sie in West-Berlin aktiv in der 68er
Studentenbewegung, worüber sie auch publiziert hat. Sie hat Sinologie studiert, war in Maos
Chinas, hat viel geschrieben, literarische Auszeichnungen, ist PEN-Mitglied und lebt als
Schriftstellerin und Stadtführerin in Berlin.
Verlag am Park- edition ost, Berlin 2005, ISBN: 3897931125
Er war der poetischste Text der über 400 Einsendungen. Aufgrund des Ausschreibungstextes Literatur: Eine Brühler Nachkriegskindheit Kölner Stadt-Anzeiger Jenny Schon (Hg.) "Wo sich Gott und die Welt traf – Westberlin Zum 50. Jahrestag - 13. August 1961 Zeitzeugen erinnern sich der ersten Jahre nach dem Mauerbau" Geest-Verlag, ISBN: 978-3-86685-304-1 Jenny Schon, Joachim Süss "PostelbergKindesKinder, Träume und Trauma" Gerhard-Hess/Odertor Verlag, ISBN: 978-3-87336-367-0 Postelberg ist mittlerweile das Synonym für das Trauma der deutschstämmigen Böhmen, die die Vertreibung überlebt haben, für die heute lebenden deutschen Kriegskinder und Kriegsenkel, die die Angst ererbt haben. Jenny Schon, Kriegskind, Jahrgang 1942, Trautenau, Sinologin, Autorin von Sachbüchern, hauptsächlich zu chinesischen Themen, von Romanen und Ge-dichtbänden, die großenteils Böhmen zum Thema haben, hat aus ihren Aufzeichnungen ein "Tagebuch einer Ver-Rückten" zusammengetragen, das den langsamen, immer intensiver werdenden Prozess ihrer Re-Traumatisierung aufzeichnet, die infolge des Besuchs in ihrer Geburtsheimat Riesengebirge nach der Samtenen Revolution zu wüten begann. In drei Erzählungen versucht sie eine Reise ins Innere. Joachim Süss, Kriegsenkel, Jahrgang 1961, Marburg/Lahn, Dr. theol., Autor, Herausgeber, zahlreiche Veröffentlichungen zur Religionskultur und zur religiösen Erfahrung in der Gegenwart. Der Vater überlebte 1945 das Lager Postelberg, Zwangsarbeit und den Abschub aus dem Sudetenland. Der Sohn Joachim Süss war zunächst dem Trauma seines Vaters gegenüber sprachlos, bis er entdeckte, dass er es als Erbe in der eigenen Seele trägt. Die Gedichte von Jenny Schon inspirierten ihn dazu, jene so schwer greifbare innere Terra incognita zu klären und damit ver-stehbar zu machen, in der noch immer Dämonen aus einer vergangenen Zeit hausen. Was bedeutet es, als Kind von Vertriebenen zu leben? Joachim Süss ist es gelungen, in seinen Gedichten Odsun (Abschub) eine eigene Sprache dafür zu finden. Dem Buch ist ein Geleitwort der Präsidentin des Frauenverbandes im BdV e.V., Sibylle Dreher, vorangestellt, die mit ihrer Veranstaltungsreihe "Lange Schat-ten" im Berliner Gropiusbau in den letzten Jahren ebenfalls Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet hat. Die Fotos in dem Band PostelbergKindeskinder zeigen überwiegend Motive aus Böhmen. Diese Geschichte erhielt den 3. Preis beim Zeitzeugenpreis Berlin-Brandenburg 2008 Mein erster Berlin-Marathon Sie kommen, die Schweine, heißt es. Ein Geschrei. Vorne geht es nicht weiter. Rasender Stopp, blitzartig schieß ich auf den Vordermann, unsere Köpfe knallen aneinander. Entschuldigung, flüstere ich, er knallt mir eine. Arschloch, ich schubse zurück. Und das soll ein Genosse sein, ich blicke zu meinem Nebenmann. So heißt das doch hier, oder? keife ich ein wenig. Ich bin neu hier, ergänze ich. Paß auf, sagt der Nebenmann, vorne sind die Jubelperser, bleib lieber bei mir, wenn du dich hier nicht auskennst. Er nimmt mich an die Hand. Die ist heiß. Er krabbelt den Arm hoch. Es war kochend heiß in der Menge. Laß das, sage ich, ich bin neu hier. Das sagtest du schon. Was gibt es denn eigentlich hier bei den Jubelpersern. So neu bist du. Er guckt mich streng an. Wie alt bist du denn? Neunzehn. Noch nicht volljährig und dann lassen dich deine Eltern laufen in dieses Sündennest Westberlin. Die haben mich nicht laufen lassen, ich bin einfach weg. Entweder London zu den Beatles, sagte ich, oder nach West-Berlin, da kriege ich wenigstens Überbrückungsgeld. Ich hab mitgeholfen, daß ihr überleben könnt, hier in eurem Sündenbabel, hörst du. Ich arbeite, damit ihr demonstrieren könnt, weißte was das heißt? Ich gucke ihn provozierend an. Er lächelt. So eine bist du. Und was sind denn Jubelperser? Löchere ich ihn weiter. Na Perser, die jubeln wegen dem Schach. Ich wollte doch auch jubeln wegen der Farah Diba, aber da hieß es, die Genossen machen was. Die Genossen Kommunarden hieß es. Er lächelt. Ich wohne auch in einer Kommune. Jetzt gucke ich doch neugierig, wie er aussieht. Er sieht eigentlich eher schüchtern aus. Blaue Augen mit liebem Blick, so ein winziges Lächeln in der Iris. Spitze Nase, nicht so schön, und der Mund zu breit. Es sind die Augen, die Vertrauen geben, auch wenn er an meinem Arm gefummelt hat. Oder hab ich mir das eingebildet. Er hält immer noch die Hand. Wir sind verschweißt, so heiß ist die Haut. Da, schreit er, da kommt ein Konvoi. Er ist groß, er sieht über die Leute hinweg. Ich kann dich ein wenig anheben. Wie heißt du denn? Karin. Karin heiße ich, lüge ich. Ich werde rot. Das merkt aber in der Hitze niemand. Und du? Jacob, Jacob Reuter. Bist du hier geboren? Ja, drüben, im Osten. Meine Schwestern sind dort. Wir hatten früher eine große Baumschule, das ist aber alles verstaatlicht. Eine Schwester ist Försterin in Brandenburg. Wie Försterin gibt es als Beruf, drüben? Ja, da gibt es auch Kranführerinnen und Traktoristinnen. Na so was, das glaubt mir keiner auf dem Land, wo ich herkomme. Eine Frau auf dem Kran. Schnell, Karin, ich heb' dich an, da, siehst du das tolle Auto. Da sind sie drin. Er hebt mich an. Eine Autokolonne. Jacob, Jacob schreie ich, die knüppeln ja. Da sind Männer, die hauen auf die Leute in den vorderen Reihen ein. Was ist das. Guck doch mal. Jacob macht sich noch länger. Die Jubelperser, so eine Scheiße, die hauen wie die Bekloppten, schreit er. Diese Schweine, skandieren jetzt die Reihen vor uns. Eine heftige Bewegung der Leute drückt nach hinten. Wir klammern uns aneinander, damit wir nicht fallen. Das wäre schlimm bei dem Gedränge. Wir würden zertreten werden. Mir ist schlecht, sage ich. Ich bin das nicht gewöhnt. Komm wir gehen zum Hydranten, du brauchst Wasser, erwidert er. Ich weiß, wo einer ist. Ich sehe das Schild Krumme Straße. Auch hier ist Gedränge. Wir versuchen zu rennen. Jacob, nicht so schnell, ich habe nicht so lange Beine wie du. Wir umrunden die nachdrängenden Menschen. Immer wieder werden wir getrennt, weil sie durch uns hindurch wollen, die nachdrängen, hin zu dem Geschreie vorne in der Bismarckstraße, wo die Oper ist und wo die persischen Herrschaften eine Opernaufführung besuchen wollten, empfangen vom Regierenden Bürgermeister, der Albertz heißt und eigentlich ein Pfarrer ist. Als ich noch auf dem Land war, hatte ich für Willy Brandt geschwärmt. Da ist er wieder, rief Mutti, wenn Willy im Fernsehen war. Er war Gast bei uns, wenn wir Mittag aßen, er war beim Abendbrot dabei. Wir hatten noch nicht lange ein Fernsehen, und es wurde auch nicht immerzu was gezeigt, aber wenn was gezeigt wurde, war Willy meistens in der Nähe. Als er Bürgermeister war, war Berlin oft im Fernsehen, es gab jede Menge zu berichten von ihm und von den Russen. Eigentlich hatte mich das alles nicht so interessiert, ich wollte nur Willy sehen, weil ich so einen Vater gerne gehabt hätte. Als ich nach Berlin ging, ging Willy nach Bonn und jetzt ist der Pfarrer Bürgermeister, der interessiert mich aber nicht, da sah ja mein Opa noch schöner aus als der und mein Opa war schon ein alter Mann. Komm, Karin, drüben ist der Hydrant. Jacob nimmt wieder meine Hand, da kannst du was trinken. Du bist ja puterrot. Mir ist auch ganz schwindlig und schlecht. Schon wieder fängt ein Geschubse an. Ich halte mich an Jacobs Hemd fest. Jacob, ich will gehen, weg von hier. Da sieht man ja gar nichts außer dem Rummel. Die Knüppeln ja nur. Das hab ich mir anders vorgestellt mit dem Schah und den Kommunarden. Ich dachte, die machen ein Happening mit Feuerwerkskörpern oder wie bei dem Humphrey mit Pudding oder so. Als Kind haben wir gesungen: Prima, der Schah hat Luft im Spind, prima Soraya kriegt kein Kind… Das war doch lustig, oder? Jacob, hörst du. Ja, lustig, aber die Unterdrückung in Persien ist eben nicht lustig. Hast du nicht den Genossen Nirumand gestern Abend gehört im Audimax, ein Verfolgter des Schah-Regime. Nein, hab ich nicht. Ich bin ja keine Studentin, ich arbeite tagsüber am Kudamm, da kann ich nur in der Mittagspause mal raus, wenn was los ist, wie das mit dem Puddingattentat im April. Das war lustig. Ich will eigentlich nur was Lustiges, nicht so was wie hier. So ein Gedränge, so ein Geschrei, Jacob, ich geh jetzt. Ich stoppe meinen Schritt. Ich reiße mich von ihm los. Ich werde an eine Mauer gedrückt. Ich flüchte in eine Toreinfahrt. Wir werden in einen Garagenhof hineingezwängt. Wir können nicht mehr zurück, weil von hinten nachgedrängt wird. Bleib hier! Jacob wird auch rot im Gesicht, vor Wut, glaub ich, oder vor Angst. Auch ich kriege Angst, vor ihm, wenn er so blökt. Er blökt wie mein Vater, wenn er jähzornig war. Ne, so einen Typen will ich nicht. Da werde ich gleich einen Riegel vorschieben, wenn der fragt, ob wir uns noch mal treffen wollen. Ne, einen Blöker will ich nicht. Die Schweine, schreien die vorne wieder. Immer das gleiche, jammere ich. Jacob hat mich eingeholt. Ach, Karin, bitte, bleib bei mir, ich hab Angst um dich, wenn die dich so wegdrängen. Du bist doch nur eine halbe Portion, bleib bitte bei mir. Er ist ja ganz lieb, ich möchte ihn umarmen, aber die Leute drängen uns wieder auseinander. Ich hätte ihn jetzt geküsst, wenn er bei mir gewesen wäre. Aber ich sehe ihn nicht. Ich sehe Polizei, eine Menge Polizisten scheuchen in der Krummen Straße die Leute vor sich her. Das Geschrei wird unerträglich. Ich weine leise vor mich hin. Ich habe noch nie in so einer Enge gehockt. Mein Atem steht, er hat keinen Platz sich auszubreiten. Ich lasse mich fallen, neben ein Auto. Es stinkt nach Benzin. Ein dumpfer Knall. Schrilles Gekreische, ein heller Knall, ich weiß nicht, was das ist. Eine winzige Sekunde lang absolutes Schweigen, so als würde der Filmton angehalten, dann knallt und keift und poltert es wieder, daß ich mir die Ohren zuhalte und die Augen schließe. Ich liege immer noch auf dem Asphalt an der hinteren Mauer des Garagenhofes. Ich schaue unter die stehenden, aber noch stinkenden Autos. Da liegt ein Mann. Ein junger Mann. Eine dunkel gekleidete Frau kniet neben ihm. Ich sehe ihre Beine und ihren Hintern. Einmal beugt sie ihren Kopf ganz nah an den seinen. Da sehe ich ihr entsetztes Gesicht. Für eine Sekunde. Es muß was Schreckliches passiert sein, sagt dieses Gesicht. Ich mache mich klein. Es war schon als Kind eine besondere Gabe von mir, mich zu verstecken. Augen zu, Ohren zu, dann sieht mich der Feind nicht, mein schimpfender Vater nicht. Leider habe ich keine Decke bei mir, dann hätte ich mich noch besser verstecken können. Ich lege meinen Kopf auf meine Lederhandtasche, zieh die Beine ganz eng an mich, die Arme über meinen Kopf. Wenn sie meinen Kopf nicht sehen, denken sie vielleicht, es ist nur der Schatten des Autos, dann lassen sie mich hier liegen, bis alles vorbei ist. Früher habe ich gebetet, wenn ich so lag vor Angst gekrümmt. Ob ich beten soll, daß das alles nur ein Traum ist. Aber ich höre das Geschrei, die Sirenen eines Krankenwagens. Ich höre noch immer, wie sie schreien, diese Schweine, die! Lange Zeit höre ich nichts, so drücke ich meine Ohren zu. Dann sind die Geräusche abgeebbt. Ich versuche aufzustehen, ich ziehe mich an der Wagentür hoch. Sie gibt nach. Es sind doch noch eine Menge Menschen in der Krummen Straße und in der Toreinfahrt. Ich zwänge mich in das Auto und lege mich hinten auf die Sitzbank. Unter dem Beifahrersitz entdecke ich eine Limoflasche. Ich trinke fast die Flasche leer. Dann falle ich in einen tiefen Schlaf……………… Die vollständige Geschichte erscheint in: Glückssuche im Schatten der Mauer, Frieling-Verlag, Berlin, 2008 Erzählwettbewerb in den Museen Dahlem in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel Berlin am 13. Mai 2007: Die bestplatzierten Geschichten der Erwachsenen (Platz 3) Schlafes Schwester
Hommage an meine böhmischen Großeltern Auszug aus dem auf der Leipziger Messe im Konkursbuch Verlag Tübingen erscheinenden Band "Stimmen aus dem Abseits" Freistoß
Ein Sommersonntag, der in der Kindheit gähnende Langeweile verursacht hat. Selbst das Summen der Bienen und das Brummen der Hummeln verschmilzt mit der Hitze, die flirrt und ducken macht. Einfach im Gras liegen, unter dem Apfelbaum, hin und wieder nach dem Brausewasser langend, von Oma nach einem Geheimrezept hergestellt, süßsäuerlich den Durst löschend, gerade so weit hochkommend, daß der Flascheninhalt nicht ins Gras tröpfelt, die zersprungenen ausgetrockneten Lippen benetzt, dann wieder liegen, liegen, langsam die Augen öffnen, durch die Äste in den Himmel blinzeln, kein Wölkchen, das geeignet ist, Figuren zu erraten, Schmetterlinge oder Mäuschen, die hüpfen, keine Bewegung, oben und unten. Die Vögel sind erschöpft von der Aufzucht der Jungen und von der Hitze, sie schweigen - damals wie jetzt. Auf dem Kirchenfenstergesims ein turtelndes Taubenpaar. Einsames Gurren im Vorstadtschweigen. |